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Die zweite Seite der Medaille

IMAGO, Alexander Shcherbak, Donald Trump im Oval Office

Zur Natur der amerikanischen Politik

Es heißt, Donald Trump würde einen grundlegenden Politikwechsel in der amerikanischen Politik umsetzen. Belegt wird diese These hinsichtlich des Umgangs mit Europa u. a. mit Stichworten wie Handelskrieg, der zunehmenden Verantwortung der europäischen Staaten, selbst für ihre Verteidigung aufkommen zu müssen und generell der Forderung, die Wehretats zu erhöhen (Das die beiden letzten Aspekte schon einen Widerspruch in sich darstellen, sei hier nur erwähnt.) Generell überwiegt in Deutschland eine Dämonisierung Donald Trumps gegenüber einer Glorifizierung der Demokraten, die als Kämpfer für Freiheit und Demokratie verkauft werden. Es spricht einiges dafür, dass das auch weiter so bleibt und es ist wichtig zu klären, welche wirklichen Gründe dafür verantwortlich sind.

Ich möchte es einfach.

Ja, das wäre schön.

Aber die Zeit dafür ist vorbei. Sie kommt auch nicht wieder.

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Die Annahme, weitsichtig zu sein, um so Dinge aus der Entfernung

vermeintlich gut zu überblicken, sollte nicht davon abhalten,

die Kurzsichtigkeit zu schärfen, um so auch

aus der näheren Betrachtung Nutzen zu ziehen.

Schaut man sich das näher an, so kommt man zu der Frage, ob all das nicht eher nur der äußere Ausdruck der amerikanische Politik ist – die Oberfläche, die, wenn wir nur über sie unser eigenes Handeln bestimmen, uns zu falschen Schlüssen, falschen Entscheidungen und Nachteilen führen kann. Müssen wir nicht zur Natur der amerikanische Politik vordringen, ihrem Wesen – und damit zur Natur der Demokratie? Sich der Blendung wie auch der Verblendung zu entziehen, lässt hoffen, zu einem umfassenden Lagebild zu kommen: Als Voraussetzung für eine nachhaltige Lösung einer Vielzahl von Problemen.

Auch das Wesen kennt Wirkungen, aus denen man zu ihm vordringen kann und nach meiner Wahrnehmung sind es zwei, die es ermöglichen, die amerikanische Politik zu verstehen: Die soziale Spaltung in den USA und die Außenpolitik. Wenn Joe Biden in seiner Abschiedsrede warnt, „Heute nimmt in Amerika eine Oligarchie Gestalt an, extremer Reichtum, Macht und Einfluss, die buchstäblich unsere gesamte Demokratie bedrohen“, so legt er einen Schleier über die Realität, doch gibt er Historikern auch die Möglichkeit, ihm mit Bezug darauf ein Vermächtnis zu schaffen, mit dem er in guter Erinnerung bleibt.

Menschlich ist das vollkommen legitim, doch kollidiert die Warnung mit den Tatsachen, dass diese Entwicklung schon lange gegeben ist und er in seiner Präsidentschaft mit dazu beigetragen hat, dass sie sich weiter vertieft und die amerikanische Politik wesentlich bestimmt. Es mag sein, dass unter Demokraten und Republikanern der eine oder andere mehr oder weniger stark dominiert: Die Oligarchen bestimmen aber quasi schon seit Urzeiten die amerikanische Politik. Man kann dabei an John D. Rockefeller denken, man schaue sich aus dem Blickwinkel ihres Einflusses die Liste der reichsten Menschen der Welt an, in der unter den ersten zehn neun aus den USA kommen oder denke daran, dass es zwischen 1948 und 2008 nur zwei US-Präsidentschaftswahlen gab, in denen nicht der Name Kennedy, Bush, Nixon oder Clinton auf dem Wahlzettel stand.  Die von den USA dominierte Zahl der Superreichen und ihr Vermögen ist während der Präsidentschaft von Barack Obama, Donald Trump und Joe Biden rasant gestiegen: Letzteres hat sich mehr als verdoppelt. In der Zeit von Joe Biden hat sich das Vermögen der fünf reichsten Menschen mehr als verdoppelt. Was die Einflussnahme betrifft, sei nur kurz darauf verwiesen, dass von der Bundesregierung allein seit 2023 über 600 Millionen Euro an die Bill und Melinda Gates Stiftung geflossen sind.

Einher geht diese Entwicklung mit steigender Armut. Im Jahr 2023 konnten 43 Prozent aller Familien in den USA ihre Grundbedürfnisse nicht erfüllen, die Zahl der Obdachlosen erreichte 2024 einen neuen Höchststand und bei der Kinderarmut stehen die USA auf dem Podest. Im Jahr 2023 waren 23 Millionen Menschen ohne Krankenversicherung: Worauf das Attentat auf Brian Thompson sehr nachdrücklich aufmerksam machte, der als CEO der größte Krankenversicherung der USA, UnitedHealthcare, vorstand. Diese Entwicklung vollzieht sich parallel dazu, dass China in den letzten vier Jahrzehnten über 800 Millionen Menschen aus der Armut befreit hat.

Schaut man auf die Außenpolitik, so ist sie dominiert von Kriegen – genannt seien Vietnam, Jugoslawien, Afghanistan, der Irak –, Staatstreichen – genannt seien Angola, Nicaragua, Libyen, Syrien – und Attentaten (1, 2, 3). Kein Land hat durch sein außenpolitisches Handeln nach dem Zweiten Weltkrieg mehr Opfer zu verantworten als die USA (1, 2). Wenn das für die größte Demokratie der Welt gilt – unter Beteiligung oder Billigung der anderen westlichen Demokratien –, so gilt auch:

Die westlichen Demokratien haben sich nach dem zweiten Weltkrieg zur aggressivsten Gesellschaftsform entwickelt. Weder Diktaturen noch anderen Formen kann man mehr Kriege, mehr Tote zuschreiben. Macht es Sinn, in der Weise die Fahne der Demokratie weiter zu schwingen? In einer Welt, in der zu den Atomwaffen noch Hyperschallwaffen und die Kämpfe im Cyber- und Weltraum hinzugekommen sind und Computer zunehmend die Fähigkeiten von Menschen übernehmen? In der die Genetik weiteren Möglichkeiten schafft, den Menschen zu ersetzen? In der die Demokratie ihr unschuldiges Antlitz und ihre Anziehungskraft verliert? Mir scheint: Als alterndes Tier mit nachlassender Kraft, fehlenden Visionen und Konzepten, unzureichender Führung, von Eigennutz zerfressenden Individuen immer aggressiver zu werden, scheint für den Westen und erst recht nicht für die Menschheit ein nachhaltiges Handlungskonzept zu sein.

In den letzten Jahren ist die amerikanische Politik zunehmend davon bestimmt, dass sie die eigene Wirtschaft auf Kosten des Rests der Welt saniert und den Reichtum ihrer Eliten weiter steigert: Das uramerikanische Geschäftsmodell erlebt eine Renaissance. „Make America Great“ war schon immer die Orientierung der Eliten: Des „Again“ bedürfen Sie, um das eigene Volk zu besänftigen, ihm Hoffnung zu geben und tatsächlich einige Folgen des auf Superprofite ausgerichteten Globalisierungsansatzes moderner Ausbeutung zu korrigieren.

Gebunden ist diese Entwicklung sicher an den Aufstieg Chinas und die Wahrnehmung, dass Russland der Welt die Erfahrung vermittelt, dass man es auch militärisch mit den USA aufnehmen kann. Das aus dem Blickwinkel der Stärkung der westlichen Allianz als Gemeinschaft Tragische an der Sache ist dabei: Diese Politik macht vor der Schwächung ihrer stärksten Partner und insbesondere Deutschlands nicht halt. Unter Joe Biden legte die amerikanische Politik wieder ihr Mäntelchen ab und offenbarte ihre brutale Seite. Wenn jetzt Donald Trump kolportiert, Kanada könne der 51. Bundesstaat der USA werden, so scheint mir: Da ist Europa schon weiter. Mehr und mehr entwickeln wir uns zu Vasallen der USA. Eine durchaus wesentliche Verantwortung für das aggressive Auftreten der USA trägt jedoch Deutschland selbst und das ist an die deutsche Verfasstheit gebunden.

Die NSA-Affäre hat nicht nur aufgedeckt, in welcher Weise und in welchem Umfang sich die USA ein Herrschaftswissen über Deutschland aneignen – schon 2013 und es darf angenommen werden, dass sich die Fähigkeiten dafür inzwischen massiv erhöht haben –, mit dem sie flexibel ihre Interessen durchsetzen können, sondern hat offensichtlich auch Erfahrungen wie die vermittelt, dass das an sich schon wenig souveräne deutsche Handeln offensichtlich derart in der deutschen DNA verankert hat, dass man zunehmend unverblümt entlang der Annahme handelt, mit den Deutschen im wesentlichen alles machen zu können, was man will. Das gilt sicher für den Umgang mit den Eliten, doch letztendlich gilt das für alle Deutschen, denn mit ihrem Schweigen und der falschen Auseinandersetzung mit den falschen Aspekten leisten sie dafür ihren eigenen Beitrag.

Und so können die USA Deutschland die Folgen ihrer Kriege tragen lassen (1, 2), sie können problemlos NordStream sprengen und in der Folge dreimal höhere Preise verlangen, sie können Sanktionen gegen Russland veranlassen, um so der deutschen Wirtschaft Märkte zu nehmen und sie mit höheren Energiekosten wettbewerblich zu schädigen sowie zunehmend dafür sorgen, dass die Unternehmen in die USA gehen. Mit dem durch die USA initiierten Krieg gegen Russland wurden Deutschland bisher viele Milliarden Euro entzogen – die wahre Höhe erscheint durch den Umweg über Brüssel erheblich verschleiert –, für die man sich eine andere Mittelverwendung hätte vorstellen können und 1,3 Millionen Ukrainer sind volkswirtschaftlich gesehen sicher auch ein Verlustgeschäft. Das alles geht, weil sich der Deutsche einer Auseinandersetzung mit den Problemen seiner Zeit verweigert, er sich lieber in einer Scheinwelt bewegt, in der er ganz anders von sich denken kann und nicht wenige inzwischen so konditioniert sind, dass sie Schnappatmung bekommen, wenn sich irgendwo ein minimaler russischer Einfluss auf die deutsche Seele offenbart oder behauptet wird – die Normalität vernachlässigend, in der die USA beständig und umfassend Einfluss nehmen.

Insofern wird Donald Trump für Kontinuität bei der Durchsetzung amerikanischer Interessen stehen und leichtes Spiel mit Deutschland haben. Dazu gehört auch die weitere Infiltration der deutschen Parteien (1, 2). Wenn es in den letzten Jahrzehnten ausreichte, sich insbesondere um die Union und die SPD zu kümmern, so rückt zunehmend die AfD in das Blickfeld, um die schöpferische Zerstörung Deutschlands weiter voranzutreiben: Für das Gespräch mit Elon Musk bedankte sich Alice Weidel artig mit der Bereitschaft, noch mehr als die von Donald Trump geforderten fünf Prozent für die Aufrüstung der Bundeswehr auszugeben.

Wenn sich auch nach den Präsidentschaftswahlen die politischen und medialen Einordnungen – und oft Diskreditierungen – zu Donald Trump nur marginal geändert haben, entspricht das eigentlich so gar nicht einem von Kurzsichtigkeit und Eigennutz geprägtem Zeitgeist. Daher darf man die wohlkalkulierte Ouvertüre zu einem Stück nicht ausschließen, mit dem den Bürgern in den nächsten Jahren erhebliche Lasten abverlangt werden. Indem Donald Trump den Bad Boy gibt, der Europa drangsaliert und hohe Zölle, erhebliche Steigerungen bei den Wehretats und die Kosten für den Wiederaufbau in der Ukraine abverlangt, können sich die Politiker hierzulande gegenüber ihren Wähler dadurch profilieren, dass sie ihm „abringen“, dass es letztendlich nicht so schlimm kommt, wie von ihm gefordert. Nicht wenige werden dann wohl von ihrer eigenen Macht überzeugt sein, doch letztendlich wird es ein Spiel sein, mit dem das Volk besänftigt werden soll und der Stärkere gewinnt: Die USA.

Wer meine Bücher und Artikel kennt, weiß, dass meine Analysen nicht durch Eigennutz oder Arg vergiftet sind (1, 2) und ausschließlich dem Ziel dienen, für identifizierte Probleme zu umfassenden und nachhaltigen Problemlösungen zu kommen (1, 2, 3). Mit Blick auf die von mir schon vertretene These des Schadens, den die aggressive amerikanische Politik wie auch das devote deutsche Handeln für die langfristige Stärke der westlichen Allianz haben, und die Frage, wie man auch anders erfolgreich sein kann, ist mein wesentlicher Beitrag sicher durch meine Aphorismen für die Menschwerdung des Affen gegeben. Wollen die westlichen Demokratien und insbesondere die USA nicht an ihrem internen Substanzverlust zugrunde gehen und eine konstruktive Rolle bei der Gestaltung unserer Welt spielen – eine andere Rolle läuft auf die Gefahr hinaus, dass unsere Spezies von dieser Welt verschwindet –, müssen sie ihre ausgeprägte Fähigkeit, technische Innovationen hervorzubringen, um die Fähigkeit für gesellschaftliche Innovationen ergänzen und das Humankapital stärken. Wenn C. B. Macpherson in seinem Nachruf auf die liberale Demokratie anmerkt,

Das Wort „liberal“ bedeutet ebenso die Freiheit des Stärkeren, den Schwächeren nach den Gesetzes des Marktes zu übervorteilen, wie die gleiche und effektive Freiheit aller, ihre menschlichen Fähigkeiten zu entfalten und zu gebrauchen. Diese letztere Freiheit aber ist mit ersterer nicht vereinbar.

so muss man feststellen, dass sich die Eliten redlich bemühen, das Recht des Stärkeren als göttliche Fügung für alle Ewigkeit zu zementieren – und Donald Trump soll das mit neuen Impulsen beleben –, jedoch an ihre Grenzen kommen, letzteres als gewinnbringendes Potential zu erschließen, und zunehmend unter Einbeziehung des technischen Fortschritts reaktionär werden (1, 2, 3, 4, 5, 6). Hinsichtlich dessen kann ich dazu nicht nur auf umfangreiche eigene Erfahrungen verweisen, sondern selbst ergänzen:

Doch wie schafft man es, der Menschwerdung neue Impulse zu geben? Zunächst ist anzumerken: Die Menschheit ist keine Gruppe von Nutztieren auf der Höhe der Produktion, die zwar nicht Milch oder Fleisch, aber vieles andere verwertbare liefern und anstelle von Futter Geld und damit ihr Futter bekommt – nicht eingesperrt hinter Zäunen, sondern „beschützt“ im virtuellen Raum oder kontrolliert durch Implantate, die dann auch noch in den gedachten Raum vordringen –, um einer kleinen Gruppe von Homo Sapiens das Gefühl zu geben, Krone der Schöpfung und vollkommene Herrscher über die Natur zu sein – inclusive der Menschheit. Nein, die Menschheit ist aufgerufen, den Entwicklungstand, den sie im gedachten Raum schon erreicht hat, in der realen Welt zu verwirklichen. Nur in der Menschwerdung dürfte sich das Überleben der Spezies – und mit ihr wohl eines Großteils des Lebens – verwirklichen.

Wenn das Volk hinsichtlich der allgemeinen Entwicklungen zunehmend unruhig wird, selbst jedoch nach den Maßstäben handelt, die in der Demokratie als normal angesehen werden, so leistet es dem Fortbestand und der Verfestigung der systemischen Probleme der Demokratie Vorschub. Insofern scheint die irgendwie paradoxe Konsequenz gegeben zu sein, dass die Eliten selbst erkennen müssen, dass sie das Paradigma-Paradoxon der Demokratie lösen müssen, um den Fortbestand ihrer Möglichkeiten zu sichern.

Emanzipierung zur Souveränität, Entwicklung des Individuums vom betreuten Objekt zum individuell handelnden, kreativ-schöpferischen und an der Nützlichkeit für die Gemeinschaft ausgerichteten Subjekt, #GermanyFirst statt America First und kognitive Diversität sind dafür relevante Stichworte. Donald Trump kann dafür Beiträge leisten: Es wäre gut für das Geschäft.




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